Kalter Stein an meinen Beinen. Die herbstliche Abendsonne begann ihren langsamen Abstieg. Die Silhouette des 10-Meter-Turms zeichnete sich als Schatten gegen den Himmel ab. Ich saß, heiße Pommes aus dem Snack-Point in der Hand, nahe der 90 Jahre alten Tribüne. Ich betrachtete das neu sanierte Berliner Olympiastadion, dessen Nordseite über dem Schwimmbad thront.
Vor meinem inneren Auge hörte ich Olympische Spiele, Zeitansagen. Der Gedanke an Funktionäre in Hakenkreuzbinden ließ mich gefrieren, dass jede Abendsonne nicht hilft.
Vor meinem äußeren Auge sah ich die Berliner Mischung aus schön und menschlich, migrantisch arabisch und migrantisch brandenburgisch, herumlaufen und schreien – Sommerbad Olympiastadion, Berlin.
Von außen sah das Centro Sportivo Omegna aus wie ein Ufo aus Beton. Zwei Ufos, die am See des Ortasees in Norditalien gelandet waren. Eine Sporthalle und eine Schwimmhalle standen dort. Auf Italienisch hatte ich mühsam entziffert, dass eine Badekappe Pflicht sei. Die Duschen und ihr Warmwasser blieben spärlich. Beim Gang ins Bad durchnässten Wasserspiele uns und unsere Handtücher von allen Seiten. Von innen sah es aus wie ein Ufo aus Beton.
Die Kuppel umschirmte das Becken, Fenster an den oberen Teilen der Kuppel hüllten das Bad in ein himmlisches Licht. Hätte das Bad abgehoben und wäre gen Aldebaran geschwebt, wären wir nicht überrascht gewesen. Hier stand ein betongewordener Schrei nach Zukunft, ein Monument des Optimismus.
Nur sein Bauzustand verriet, dass diese Zukunft weit in der Vergangenheit lag, dass die Gründe für Optimismus in der ehemaligen italienischen Industriestadt in den letzten Jahrzehnten rar gesät waren. Nur das Becken selbst blieb quadratisch, frugal. Die Schwimmleinen machten klar, dass hier kein himmlisches Königreich lag, sondern ein frugales Sportbad. – Centro Sportivo Omegna.
Alle Schwimmbäder erzählen Geschichten. Jedes Bad entstammt einer Zeit, einem Ort. Manche dieser Geschichten sind zu Staub geworden, lange vergangen. Andere spielen weiter, oder sie haben ihren Gehalt geändert. Es gibt Strandbäder, die über 150 Jahre alt sind. Es gibt die Prunkbauten des deutschen Kaiserreichs und des europäischen 19. Jahrhunderts. Der Beginn des heutigen Schwimmens hinterließ seine Spuren. Staaten bauten Bäder, Gemeinden, manchmal auch Unternehmen oder einzelne Personen.
Sie alle wollten etwas erreichen, zeigen, verändern. Nur in den wenigsten Fällen ging es ausschließlich um das Geldverdienen. In den Schwimmbädern spiegelt sich Geschichte und spiegeln sich Geschichten.
Allein in Berlin, meinem Wohnort, stehen palastartige Volksbäder, Tempel des Neuen Bauens, elegant-luftige Bäder der Nachkriegszeit und alles, was der Kalte Krieg aufzubieten hatte. Das Strandbad Wannsee wurde besungen, über die Schwimmhalle Baumschulenweg müsste endlich eine anspruchsvolle Fernsehserie gedreht werden.
Andere Städte haben andere Bäder. Sie erzählen weitere Geschichten. Vom Sport, seinen Wettbewerben, Weltrekorden, den Kindertrainingsstätten späterer Olympiasieger gar nicht reden.
Jeder Schwimmbadbesuch führt an einen anderen Ort, oft weit entfernt von Touristenströmen, am Rande der Stadt, inmitten von Neubaugebieten oder in ehemaliger Arbeiterviertel. Das Bad an seinem Standort – wieso steht es dort, wo es steht, wie kam es dorthin, was bedeutete es für das Viertel?
Welches andere Hobby als Poolhopping bringt an einen an Orte von Hohenschönhausen bis zum Strand von Tel Aviv, von der Pferderennbahn Langenhagen bis ins edle Kurstädtchen Badenweiler. Es führt zu ehemaligen Gaswerken, kaiserlichen Kasernenanlagen und Olympiageländen.
Kaum an einem anderen Ort lassen sich diese Geschichte und diesen Geschichten so hautnah erleben. Kaum ein anderer Ort liefert eine so intensive, im wahrsten Sinne des Wortes immersive, Erfahrung. Dieses Blog möchte diese Geschichte und Geschichten erzählen. Viele der Themen behandelte ich in meinem privat-eklektischen Blog, Iberty. Die alten Posts werden dort vorerst bestehen bleiben.
Nun aber leert sich der letzte Karton mit Schwimmbadquartetts. Das Buch nähert sich dem Endstadium. Zeit, das Poolhopping in eine neue Ära zu bringen und neu aufzustellen.
Hier kommen ausschließlich Bäder, Geschichte und Geschichten zusammen. Während Iberty immer das persönliche Blog von Dirk Franke war, steht beim Poolhopping das Bad im Vordergrund. Der Plan ist es, Bäder aufzuführen, in denen ich nie war – durch die Erzählungen anderer. Mittelfristig soll dies eine Oberfläche ermöglichen, in dem Besucher Einträge publizieren können. Kurzfristig freue ich mich über jeden Betrag. Jedes Bad ist es wert, gewürdigt zu werden. Jedes hat eine eigene Geschichte.
Entlehnt ist der Name Poolhopping dem Groundhopping, dem seit Jahrzehnten existierenden Hobby möglichst viele Fußballplätze zu besuchen. Nur ist selber Schwimmen schicker als dem Sport anderer zuzusehen. So viele Bäder zu erkunden. So viele Kilometer zu schwimmen. So viele Stunden eintauchender Geschichtserfahrung. Auf zum Poolhopping!