Immer wenn ich an die Nordsee fahre, denke ich an Mike Krüger. Immer wenn ich an die Nordsee fahre, denke ich an Mike Krüger. Immer wenn ich an die Nordsee fahre, denke ich an Mike Krüger.

Daran ist nicht die Nordsee schuld, aber doch Mike Krüger. Nicht allerdings seine desaströse Zeit als Schüler im damals reichlich Nachkriegsnazi-infizierten Nordsee-Internat-Büsum , sondern Hamburg und die Bundesautobahn A20.

Oder um genau zu sein: Die Abwesenheit der A20. Die Autobahn, die quer in Ost-West-Richtung durch Schleswig-Holstein führen soll, würde Hamburg großzügig umfahren. Aber noch ist es nicht, Planungen für die Autobahn in dem Bereich existieren seit den 2000ern, fertig gebaut werden soll sie nach derzeitigem Stand im Jahr 2030.

Diese Abwesenheit der A20 zwingt den Autofahrer aus Berlin Richtung Westküste Schleswig-Holstein einmal quer durch Hamburg. Von der A24 kommend über den Horner Kreisel die Sievekingsallee entlang zur Bürgerweide hinein in den Stadtteil Hohenfelde. An der Wallstraße rechts abbiegen, das Porsche-Zentrum passieren, dann rechts von der Sechslingspforte aus der Blick auf die Alster-Schwimmhalle.

Immer wenn ich die Alster-Schwimmhalle sehe, denke ich an Mike Krüger. Denn zuverlässig weist Madame mich darauf hin, dass der spätere „Blödelbarde“ dort am Sprungturm mitgebaut hat. Nach seiner Zeit am Nordseeinternat und bevor er Blödelbarde wurde, lernte Mike Krüger Betonbauer. Dort baute er nicht nur am Neuen Elbtunnel mit, sondern auch an der Alster-Schwimmhalle.

Die Alster-Schwimmhalle, ein Gebäude aus der Zeit, in der Alt-Nazis noch an Schulen „Auschwitz spielten“, Blödelbarden die Bundesrepublik aufscheuchten und Genossen der »Proletarische Front Gruppe Wasserkante« mit 60 Personen, Helmen, Knüppel und Katapulten Gebäude in Hohenfelde besetzten. Direkt neben der „Proletarischen Gruppe“ zeigt sich der Glaube an technischen Fortschritt sich in vielspurigen Autobahntunneln und futuristischen Schwimmhallen zeigte.


Die Einweihung erfolgte am 20. Januar 1973, 16 Jahre nach dem Bau der Schwimmoper Wuppertal, 6 Jahre nach der Sportschwimmhalle Schöneberg, einige Jahre nach der Olympia-Schwimmhalle in München. Im Bereich der Schwimmopern war die Halle ein Spätstarter. Gestaltet wurde er von den Architekten Horst Niessen und Rolf Störmer. Die Baukosten betrugen 33 Millionen DM.


Die Alster-Schwimmhalle, derzeit „in restauro“, oder – würde ich sagen – eher in Abriss und Neubau, mit gerade soviel Altem, dass man so tun kann, als wäre es dasselbe Schwimmbad. Ein Schwimmbad, das nicht mehr ist. Und damit ein passendes Thema für Zeiten, in denen alle Schwimmbäder zwangsgeschlossen sind.

Den Eingang erklimmen

Die Alster-Schwimmhalle soll einen Delphinschwimmer darstellen. Mich erinnerte es an eine Möwe im Flug. Von Süden schauend hat die Alster-Schwimmhalle eine klare, schöne Kontur, die Größe und Offenheit verspricht: eine schwebende Dynamik. Leider bleibt diese Ansicht – die man auch nur von einer bestenfalls semi-zugänglichen Grasfläche aus hat – der einzige Moment, in dem dies so ist.

Weniger elegant: der Weg zum Eingang.

Der Eingang liegt auf der Rückseite, wirkt im Verhältnis zur Schauseite wie ein besserer Lieferanteneingang. Fahnen und Schilder des kommunalen Betreibers „Bäderland“ begrüßten mich. Ich stiefelte eine Treppe hoch in das Foyer.
Alles, was der Außenbereich an klaren Wegen und Konturen zu bieten hatte, verlor sich hier – jetzt fühlte ich mich nicht mehr wie in einer „Schwimmoper“, sondern in einem gewöhnlichen kommunalen Hallenbad. Jener hat halt mal an jeder Stelle etwas hingebaut oder gestellt oder gehängt.
Der letzte, mich in seinen Wirkungen wenige erfreuende Umbau, stammte aus dem Jahr 2007. Die jetzige Sanierung/ der Neubau begann 2020 und soll bis Dezember 2023 dauern und 80 Millionen Euro kosten. Ich besuchte die Halle 2019.


Spiegelkatakomben

Ich bezahlte am Automaten und ging eine Treppe hinab. Auch wenn es wenig Sinn ergibt, nur zum Bezahlen extra eine Außentreppe hinauf und eine Innentreppe wieder hinab zu laufen: Diese Innentreppe war der letzte Moment, an dem ich „wow“ dachte. Ein ausladendes Treppenhaus und Foyer, mich begeisternde Tropfenlampen und dieser 70er-Jahre Boden. Ein Blick in den Park durch eine große Fensterfront.


Die Umkleiden verströmten ein 90er-Jahre Flair. Einige wenige Wechselkabinen, viele Spinde und viele Bänke. Alles in unisex. Anscheinend wurde auch nach dem 1990er-Umbau noch das Konzept der Sammelumkleide verfolgt. Privatsphäre soll herstellen, dass die Gänge schlangenartig gewunden sind – was durch ungeschickt angebrachte Spiegel aber hintertrieben wird.

Was bemerkenswert war: Ich habe keine Toiletten gefunden. Sie müssen irgendwo sein. Aber anscheinend nicht in der Nähe der Duschen und auch sonst nicht mit einem Schild ausgeschildert, das ich gefunden hätte. Was vielleicht insgesamt meine etwas ungnädige Laune während des Schwimmbadbesuchs erklärt.

Hamburgs 50-Meter-Becken

Wenn ich meiner Berliner Schwimmbadbekanntschaft Joe von der Alster-Schwimmhalle erzähle, fängt er immer an zu lachen. „EIN 50-Meter-Becken in der ganzen Stadt! Oh diese Provinz!“. Da muss man nicht erst nach Berlin, wo es solche Becken selbst in Mariendorf und Spandau-Süd gibt. Auch Elmshorn im Hamburger Umland besaß bei 49.800 Einwohner bis 2019 so viele 50-Meter-Becken wie Hamburg selber mit 1.850.000 Einwohnern.

Kein Wunder, dass der Alster-Schwimmhalle eine besondere Liebe der Hamburger Schwimmer*innen entgegenkommt. Sie war bis 2019 das einzig schwimmfähige Hallenbad der Stadt. Rechtzeitig vor der Sanierung eröffnete das Bäderland zum Glück das „Familienbad in Ohlsdorf“, das ebenfalls eine 50-Meter-Bahn aufweist. Vor der Sanierung suchten dieses Bad etwa 370.000 Menschen im Jahr auf.

Prägender Anblick war der Mike-Krüger-Bau, der Zehn-Meter-Turm mit Fahrstuhl. Unter ihm fünf Meter Wassertiefe. 10 Bahnen! Zahlen zum Träumen.
Aber ich war unbegeistert. Die klare, großzügige Form, die das Außen der Schwimmhalle behauptete, ging verloren. Nach dem Besuch studierte ich intensiv alte Fotos, versuchte herauszubekommen, ob das ein Konstruktionsfehler war oder erst durch nachträgliche Einbauten kam.

Blick in die Halle. Bild: Alsterschwimmhalle Hamburg. Aufgenommen während der Deutschen Hochschulmeisterschaften Schwimmen 2007, 11.-13. Mai. Von: r
R. S. Lizenz: Creative Commons Attribution 2.0 Generic

Langsam glaube ich: Diese Schwimmhalle wurde von Leuten gebaut, die nie vorher und anscheinend auch nie mehr danach ein Schwimmbad bauten. Sie war von Außen nach Innen gebaut. Sollte erst einmal gut von Außen aussehen und dann auch noch zum Schwimmen genutzt werden. Es begann wenig gut und wurde nicht besser. Meine These erhärtet, dass das Becken bei der Eröffnung nicht ganz die Wettkampflänge von 50 Metern hatte – und nachgebessert werden musste.

Es gab: eine auffallend steile Tribüne, auf der schwimmnahe Unternehmen (Arena, Urban Sports Club) mit mich anstrengenden Sprüchen werben. Am Rand lagen zwei „Aquafitness Club“-Becken, die mit bunten Glasscheiben abgetrennt sind. Sie waren der normalen Öffentlichkeit anscheinend nicht zugänglich. Einst war dies ein Nichtschwimmerbecken, das nachträglich zweigeteilt, weggesperrt und ent-öffentlicht wurde.

Darüber war einst das Restaurant, einst frei schwebend im Raum wie diese futuristsichen Über-die-Autobahn-Raststätten. Jetzt liegt es halt nur über der Halle, da die andere Seite nicht mehr zugänglich ist.
Draußen ist ein nettes, aber kleines Außenbadebecken.

Das eigentliche Highlight bildete das Becken: 50 Meter lang, unter dem Sprungturm 5 Meter tief (am flachen Ende 1,80 Meter) und 25 Meter breit. Wiesbadener Rinne. Durch diese verlief ein gespanntes Stahlseil(?). Ob es dazu diente, das Becken zusammenzuhalten?

10 Bahnen!

Die 10 Bahnen waren mittels Leinen in fünf Bereiche abgeteilt 1 und 2: Schulen; 3 und 4: Öffentlichkeit/Rücken; 5 und 6 Öffentlichkeit Tempo/Kraul; 7 und 8: Öffentlichkeit (langsam/brust) 9 und 10: erst Aquajogging, später auch Öffentlichkeit langsam/Brust. Offensichtlich funktionierte die Aufteilung. Gerade auch, weil zwei Bahnen deutlich mehr Platz zum Überholen und Ausweichen lassen als eine Bahn.

Ich sollte begeistert sein. Aber bin es nicht. Erstaunlich, dass eine Halle dieser Ausmaße klein und gedrängt wirken, kann, aber die Alster-Schwimmhalle bekam es hin. Der Sprungturm: Knapp unter das Dach gezwängt; die Tribüne: Viel zu steil, so als würde sie unter Platzproblemen leiden; Ruhebereiche: keine? Eine verkorkste Akustik, wenige Bäder erlebte ich, in denen es so hallte, man so lärmüberwältigt wurde.

Zudem weiss die Halle nicht, wie sie eigentlich steht. Mein Hamburger Badekontakt Uwe erzählte zum Beispiel, dass er in der Halle kaum Rücken schwimmen kann, weil es an der Decke an Linien mangelt, an denen er sich orientieren kann. Die Decke läuft dem Dach folgend geschwungen von schräg links nach schräg rechts, aber in zwei Richtungen. Was von außen schick aussieht, funktioniert von innen kaum.


Futurismus adé

Das ehemals topstylische Restaurant hat sich angesichts des letzten Umbaus in ein von Außen schäbbig wirkendes Fitnessstudio verwandelt. Ich goutiere das nicht. Das Fitnessstudio war Teil des „Aquafitness Clubs“. Der wurde in der Alster-Schwimmhalle ausführlich beworben. Mein erster Gedanke war „wo kann ich Mitglied werden.“ Ewiger Schwimmbadeintritt plus Fitnesstudios für unter 50 Euro im Monat ist ein kaum widerstehliches Angebot.

So werden wir uns nie wieder sehen. Die alte Alsterschwimmhalle bis 2020.

Allerdings kamen wir zwei Zweifel beim Blick in die Konditionen: Nicht etwa kann man als Mitglied in allen Bäderland-Bädern damit schwimmen, sondern nur in zwei (Alster-Schwimmhalle und Blankenese). Die Fitnessstudios schrumpften auf eines zusammen (Alster-Schwimmhalle), welches von außen wenig begeisternd wirkte. Zumal ist der Eintritt auf einmal pro Tag begrenzt. Gegenüber einer echten Schwimm-Dauerkarte stellt das klare Abstriche dar.

Zumal ich ein Problem damit habe, dass mit Konzept eine Abkehr vom offenen Schwimmbad – das jeder immer besuchen kann – zu einer halb geschlossenen Clubveranstaltung bedeutet. Die mindestens 500 Euro pro Person im Jahr kostet. Teile des Schwimmbads sind nur auf diesem Weg zugänglich.
Aushängen und Öffentlichkeitsarbeit nach zu urteilen, wurde der „Aqua Fitnessclub“ mit sehr viel Nachdruck betrieben. Damit aber wandert das Bäderland hin von der öffentlichen Einrichtung und Daseinsvorsorge zum öffentlich bezuschussten privaten Fitnessclubbetreiber.


Tegel, BER, Alster-Schwimmhalle

Die Halle wird restauriert. Von gmp, die in Deutschland schon alles vom Flughafen Tegel über die neue Messe Leipzig, das Tempodrom in Berlin, den Kulturpalast Dresden und den BER gebaut haben. Nur Schwimmbäder fehlen bisher im Portfolio, aber das ging den Vorgängerarchitekten auch schon so. Der Umbau von 2020 bis 2023 sollen 80 Millionen Euro dafür ausgegeben werden. (Zum Vergleich: Der Neubau des Blu in Potsdam kostete etwa 40 Millionen). Die Wasserfläche wird von 1400 m² auf 2000 m² erweitert. Die Tribünen werden durch ein Sprungbecken ersetzt, die Fitnessstudios werden von 200 m² auf 1000 m² erweitert. Die Eingangstreppen entfallen.

Und weil Hamburg ja nicht Berlin ist, in Hamburg nicht einfach so Bäder vor-sich-hin-wurstelnd saniert werden, geschieht die Sanierung im Rahmen der „Active-City-Strategie“mit insgesamt 26 Vorhaben und sechs Empfehlungen, einer eigenen Active-City-App, Active-City-Merchandise und einer Active-City-Website.

Zum Abschluss

Die Übersichtskarte aller Poolhopping-Blog-Artikel.

Als in Deutschland gerlernte Betonbauer noch Stars werden konnten: