Biedronka bedeutet Marienkäfer. Dieses polnische Wort kann ich mir einfach merken. Die größte polnische Supermarktkette heißt Biedronka – ein niedlicher Marienkäfer schmückt ihr Logo.
Żabka bedeutet Frosch. Das Wort kann ich mir einfach merken. Die größte Späti-Kette Polens heißt Żabka. Sie hat sich, ähnlich dem amerikanischen 7/11, an jeder zweiten polnischen Kreuzung ausgebreitet. Ein freundliches Froschgrün schmückt die Läden.
Die beiden wichtigsten Läden des Landes heißen Marienkäfer und Frosch.
Richtung Kombinat
Während ich an einer Kreuzung stand und den Żabka betrachtete, dachte ich: Die Polen sind verspielt. Ich stand an der Haltestelle des 139er-Buses der MPK Krakau und wollte Richtung „Kombinat.“ Die Jakdojade-App, die großartige polnische ÖPNV-App hatte mir den Weg gewiesen.
Die Kreuzung lag an der lautesten Landstraße nördlich der Alpen. Hinter mir eine Großbaustelle und inmitten dieser ein neues kleines Haus mit anspruchsvollem italienisch geprägtem Café. Auf der anderen Straßenseite schaute ich auf die Kościół Pana Jezusa Dobrego Pasterza, die Kirche Jesus des guten Hirten – eine siebziger-Jahre-Kirche mit hingebungsvoll kitschigen Statuen von Jesus, Maria und Papst Johannes Paul II. im Außenbereich.
Auch wenn es mit meinem kompletten Wortschatz von acht Wörtern vermessen war so zu denken – inmitten der infernalischen Straße, den schicken jungen Menschen, die am schicken Café vorbei auf E-Rollern von der Arbeit nach Hause rollten, den Blick auf Papst Johannes Paul II und den Frosch-Laden gerichtet, ich fühlte mich sehr in Polen angekommen.
Dass mich mein Weg mit dem Bus einige Haltestellen vor dem Kombinat am „größten Wasserpark Polens, vielleicht Europas“ absetzen sollte, passte.
Verspielt, chaotisch und sich mit offenen Armen in die Marktwirtschaft werfend – es passte in diese Stadt. Nur katholische Elemente sollte ich im Aquapark nicht entdecken. Aber das lag vielleicht an meinem Mini-Wortschatz.
Der Park Wodny
Schließt die Augen. Denkt „Neunziger-Jahre privates Spaßbad“; und vor Euren inneren Augen seht ihr:
- Bunte Rutschen
- Einen großen Parkplatz auf einer ehemaligen Wiese
- Drumherum ein oder zwei Einkaufszentren
- Vielleicht ein Hotel oder ein Kino
Und ihr habt den Wasserpark Park Wodny Kraków. Parkplatz, die Einkaufszentren Serenada (errichtet 2017 mit 1050 Parkplätzen) und Krokus (errichtet 1997, 1100 Parkplätze) , das „Multikino“, das „Hotel Swing“ und direkt daneben ein Biedronka. „Alles so schön bunt hier“, wie es 1978 in einem Song hieß.
Während die 1990er-Spaßbäder in Deutschland bereits vor Corona schwächelten, Einkaufszentren zu sterben scheinen, sieht es in Polen anders aus. Einkaufszentren erfreuen sich ungebrochener Beliebtheit. Emilia Smechowski beispielsweise beschrieb in ihrer Langreportage „Rückkehr nach Polen“ eindrucksvoll die Bedeutung, die diese für die polnische Gesellschaft der 2020er haben.
Auch an meinem Reiseziel, in einer kalten Oktobernacht, herrschte blühendes Leben. Inmitten der Parkplätze und Einkaufszentren, als krönendes Highlight: der Park Wodny. Er gewann im Jahr 2000 einen Preis als „Gebäude des Jahres“; was nicht viel sagt – außer, dass er 1999 oder 2000 eröffnet wurde. Vom Parkplatz aus wirkte er wir ein weiteres Einkaufszentrum. Einzig die Rutschen, die ich hinter dem Gebäude erahnte, versprachen mehr
Wörtlich ist der Wasserpark der wässrige Park. Den wo Woda im polnischen das Wasser ist, ist Wodka das Wässerchen – die Verkleinerfungsform, und Wodny das adjektiv. Wobei ich unterstelle, dass in polnischen Ohren Park Wodny besser klingt als „wässriger Park“ in deutschen Ohren
Das Gewusel
Ich absolvierte meinen Weg von der Bushaltestelle über den Parkplatz und den anderen Parkplatz zum Eingang. Inmitten des Foyers empfing mich eine Menschenmenge. Die wuselte sich um einen Shop, ein Restaurant, einen Infoschalter, und zwei Kassen herum. Die Kassen informierten mich auf Polnisch umfangreich, aber in meinem Fall erfolglos.
Nach einigem Beobachten und Raten beschloss ich, dass eine Kasse für Menschen mit Reservierung bereitstand und die andere für Spontanbesucher*innen. Die Frau dort überraschte mich – obwohl es recht wenig schriftliches englisches in Polen gibt, und englische Websites mit wenigen Ausnahmen auch uncool scheinen, spricht fast jeder unter 40 nahezu fließend englisch. Wo ich sie auch traf. Ich zahlte meine 49 Złoty (~10-15 Euro) und durfte den Park betreten.
Die Umkleiden waren wie im Spaßbad zu erwarten. Wechselkabinen, groß genug für Elter mit Kind. Es gab ein Chipsystem. Ich folgte dem Gang in den großen Duschraum, in dem Väter ihre Jungs zum Duschen ermahnten. Wie überall außerhalb Deutschlands: in Badekleidung.
Rutschen
Der Aquapark bietet acht Rutschen
Pontoon Congo – 165 Meter lang. Die Rutschen wird auf einem Reifen (dem Pontoon) gerutscht. Es soll den Eindruck vermitteln, einen Fluss im Dschungel hinab zu raften.
Pontoon Mamba – kürzere Rutsche auf dem Reifen. Bleibt komplett innerhalb der Halle.
Extreme Speed Nitro – 106 Meter lang. Die schnellste Rutsche. Startet weit oben, ist aber relativ kurz, da die Rutsche zur Direttissima neigt.
Twister – 132 Meter lang. Die Entertainment-Rutsche mit vielen WIndungen, Sound- und Optikeffekten.
Speed Fire – 155 Meter lang – Speed Fire. Schneller als Twister, mit mehr Entertainment (Sound, Optik, Windungen) als „Extreme Speed Nitro“
Yellow Snake – kurze Rutsche in der Halle. Für Anfänger.
Alligator Family Water Slide – Breite, direkte Rutsche für Familien und kleine Kinder
Ich ignorierte alle.
Es ist laut
Einer Krakauer Bekanntschaft erzählt ich vom Schwimmbadbesuch. Er winkte ab „Ach, das ist doch für Kinder.“ Sinnvoller, und besser für meinen Ruf, wäre der Besuch eines sportlichen Bades wie „Basen AGH“, dem Bad der technischen Universität.
Womit er recht hatte – und auch nicht. Die Dusche war gefüllt von Vätern mit ihren kleinen Kindern. 21 Menschen und ich hatte den Eindruck, der einzig allein Reisende zu sein. Die bunten Farben, die Drachenfigur, die Spielgeräte – alles eingerichtet für Kinder. Und selbst kurz vor 21 Uhr als ich das Bad verließ – das Durchschnittsalter betrug 22,5 – zusammengesetzt auf knapp einer Hälfte Zehnjähriger und knapp einer Hälfte 35-Jähriger.
Aber eine kleine Minderheit blieb. Die Jugendlichen, die sich selbst spazieren führten. Kleine Grüppchen ausgehender Damen. Die Schwimmer mit Paddles und Trainigsgerät, die hingebungsvoll ihre Bahnen zogen,
Die Leinen
Die Leinen stellte sich als größte Überraschung heraus. Inmitten der kunstvoll geschwungenen Becken, der Spielgeräte, des Strömungskanals, der gesperrten Rutsch-Ankomm-Becken ziehen sich Bahnen. Innerhalb der geschwungenen Becken, quer von links unten nach rechts oben, gefühlt 25 Meter lang, von zwei Leinen begrenzt, führt eine geleinte Bahn. Auf dieser schwimmen echte Schwimmer*innern, während links- und rechts um sie herum der Indoor-Wasserspielplatz tobt.
Ich war fasziniert, reihte mich ein, und konnte entgegen allen Erwartungen ein paar Bahnen vor mich hinkraulen. Hin- und her, her- und hin. Die Mittschwimmerlis blieben diszipliniert. Die Spaßgäste umgingen die Bahn weiträumig. Die 20-Jahre-alt-aussehende Schwimmeisterin erweckte den Eindruck, auf dem langweiligsten Familienkaffeetrinken aller Zeiten gelandet zu sein.
Die Wasserfläche beträgt 2000 m². – würde es sich um ein rechteckiges Standardbecken handeln, wäre dieses 50 x 40 Meter groß. Die Betreiber preisen sich, ihr Wasser mit Ozon, statt mit Chlor zu reinigen.
Wie viele Becken es waren, blieb unübersichtlich. Gab es einen Übergang von einem zum anderen? Einen Durchfluss. Die Wassertiefen wechselten innerhalb der Becken von Brusttief (für mich, 1,87m) bis zu Oberschenkeltief. Die Wassertemperatur war wärmlich aber nicht warm.
Ich entdeckte zwei große Wasserbereiche, von denen Menschen nicht direkt von einem in den anderen wechseln konnten; jeweils mit inneren Unterteilungen. Ob die Wasserfläche durchgängig war, konnte ich bei all‘ den Brücken, Übergängen, Gittern und Spielgeräten nicht sicher sagen. Weiter links lag ein reiner Kinderbereich.
Angeblich gibt es einen Außenbereich, den „Beach“. Ein später Abend im Oktober bei absoluter Dunkelheit ist nicht der richtige Ort, um ihn zu erkunden. Ich entdeckte nicht einmal eine Tür nach draußen, als ich danach suchte.
Zwangsweise ignorierte ich den Außenbereich.
Buddha-Bowls
Es gab ein Restaurant. Es roch nicht nach Pommes und auf der Karte entdeckte ich auch keine. Es wirkte einen Tick edler und gesünder im Anspruch als die typische Schwimmbadgastro. Deshalb ignorierte ich es. Ich ging lieber zum nächsten Żabka und besorgte mir einen Hot Dog. Hot Dog bedeutet auf polnisch Wurst Ketwurst. Ich konnte es mir einfach merken, denn Hot Dogs sind allgegenwärtig.
Okay für Rutsch-Ignorierer?
Würde ich wiederkommen? Vermutlich nicht. Ich konnte besser schwimmen als vorher gedacht. Viele Tage nach dem Besuch bestaune ich weiterhin die geleinten Bahnen quer durch das Spaßbecken. Die Drachenfigur, das Gewusel, all‘ die bunten Farben – es hat Appeal.
Aber ehrlich gesagt für spaßlose Schwimmer wie mich ist Basen AGH besser (und preiswerter!). Nur geleinte Bahnen, kälteres Wasser, ein leicht chaotisches Uni-Feeling – und dann noch ein Warmwasseraufwärmbecken. Der wässrige Park war spannend. Aber er zielt an der Zielgruppe Dirk Franke vorbei.
Was die Polen nicht zu stören braucht. Dort lebt das Konzept. Der Park Wodny konnte 2018 alle Rutschen erneuern. Im Februar 2020 allerdings verlor er seinen Titel als größer Aquapark Polens an die Suntago Water World bei Warschau. Die bietet, wie der Park in Krakow auch, 2000 m² aber 32 – in Worten: zweiunddreißig – Rutschen und 700 Palmen.
Weiterlesen
Die Übersichtskarte aller Badbeschreibungen ab 2021 findet sich hier.
Bis 2020 schrieb ich dieses auf iberty.net, hier ist die Übersicht.
Treffen
Natürlich war es mir unmöglich, der freudigen Konsumstimmung zu widerstehen. Falls ihr in einem Berliner – vielleicht in einem anderen – Bad jemand mit einer blau-weiß gestreiften Schwimmtasche seht, auf der Park Wodny Kraków steht – dann könnt ihr mir „Hallo“ sagen.
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