Zeitreise-Baden in Grömitz, Ostsee

Es war 1982. McDonalds führte den McRib ein. Der Hamburger SV mit Manni Kaltz, und Horst Hrubesch war deutscher Fußballmeister geworden. Deutscher Handballmeister wurde der VfL Gummersbach. Den Fleischmann-Modelbahnkatalog schmückte die Dampflok DR-Baureihe 03.10 in der windschnittigen Variante. Michael Groß gewann seine ersten Weltmeistertitel über 100 Meter Schmetterling und 200 Meter Freistil.

Olching

Im durchgehend sonnigen „Supersommer“ 1982 verbrachte ein kleiner Junge den Urlaub in Grömitz. Der Ort an „der Sonnenseite“ der Lübecker Bucht, mit direktem Blick auf die DDR-Suchscheinwerfer auf der Schattenseite. Das Sonnensymbol begrüßte und begrüßt bis heute die Neuankömmlinge. Strand und Ort sind nach Süden ausgerichtet. Mehr Sonne, mehr schwitzen, mehr sonnenbraten und sonnenbranden sind die Folgen.

Der kleine Junge war fasziniert von der Grömitzer Minigolfanlage Eldorado. Sie lag direkt am Strand. Der stetige Wechsel von der Ostsee zum Minigolf und wieder zurück war möglich. Ihn zogen die bunten Bälle in ihren Bann. Er genoß den Park. Er staunte, dass Minigolf ein Sport sein kann. Mit Menschen, die jeden Tag trainierten – auch im Eldorado – vielleicht sogar mit echten Profis.

Eingang zum Eldorado-Minigolfplatz

Hier geht es zum Minigolfparadies.

Der kleine Junge überlegte neben seinem Hauptsport – Handball – auch Minigolf im Verein zu spielen. Der Junge verliebte sich in das „Langnese-Flair“ am Grömitzer Platz und den Jägerzaun. Er lernte, dass die farbigen Bälle im Minigolf für verschiedene Härten stehen. Er lernte, dass unterschiedlich harte Bälle anders von der Bande abprallen. Eine tiefe Begeisterung war geboren. Diese Begeisterung nahm der kleine Junge mit nach Hause nach Olching in Bayern.

Er kultivierte sie. Er begann im Verein zu spielen. Im Jahr 2006 wurde der groß gewordene Michael Koziol Minigolf-Bundestrainer und ist es bis heute.

Langenhagen

Ein anderer kleiner Junge war, auch um 1982 herum, genauso begeistert von der Minigolfbahn Eldorado in Grömitz. Neben dem „Spieltrumzentrum“ mit Arcade-Spielen und Mini-Elektroautos mein zweites zu Hause. Vom Minigolf zum Strand zum Minigolf zurück. Die Figuren, das Eis, die vielen bunten Bälle und die verschiedenen Schläger. Ich nahm die Begeisterung auch mit nach Langenhagen, blieb aber beim Handball.

Der größte sportliche Erfolg meines Lebens war der Gewinn der Kreismeisterschaft im Kleinfeldhandball, B-Jugend. In einem Sommer, der alles andere als Super war, es war ein echter Feldhandball-Regentitel. Mein Leben als Minigolf-Bundestrainer. Wie wäre es geworden?

Eldorado bleibt

Vieles hat sich seit 1982 geändert in der Welt. Der IKEA-Slogan lautet 2021 „Eine bessere Welt fängt zu Hause an.“ Das Modellbahn-Unternehmen Fleischmann existiert nicht mehr. Der VfL Gummersbach stieg in die zweite Liga ab.

Nur der McRib und die Grömitzer Minigolf-Bahn Eldorad trotzen den Zeiten. Scheinbar unverändert aus den 1950ern in die Gegenwart transportiert steht die Golfbahn. Direkt am Strand, mit Park, Figuren, Eis, Jägerzaun und bunten Bällen. Wie Grömitz in weiten Teilen so wirkt, als wäre das Leben dort 1983 in einen ewigen Schlaf verfallen.

Die Häuser sehen genau so aus wie damals. Mehrfamilien-Appartmenthäuser, die weder den Weg zur Bettenburg mitgemacht haben, noch den neueren Retro-Behaglichkeitsstil der Architektur. Der Weg vom Parkplatz an der Strandhalle zur Promenade ist derselbe. Meine Befürchtung, dass uns Jahre der „Mobilitätsdebatten“ den Parkplatz direkt an Strand gekostet haben könnten, bewahrheiteten sich nicht. Seit Jahrzehnten hatte ich den Ort nicht mehr betreten und doch war ich sofort orientiert, hätte blind die wichtigsten Plätze ablaufen können.

Vielleicht hat sich in den letzten 30 Jahren ein Souvenirgeschäft in ein Klamottengeschäft verwandelt, und ein Klamottengeschäft in ein Souvenirgeschäft. Die größte Veränderung ist der Abriss von „Spieltrumzentrum“ und Freibad. Sonst ist es Grömitz, wie es sang und lachte 1985.

Das Sachau-Imperium

Nur dass Grömitz 1985 wirklich sang und lachte. Innerlich dachte der Ort, ein neues Sylt zu werden. Mit besserem Meer – weil immer da – der mondänen Promenade zum Flanieren, und dem besten, was die deutsche Unterhaltung zu bieten hatte: Siw Inger, die Jacob-Sisters, Baccara, Fips Asmussen u. v. a. mehr sorgen für Stimmung. Harald Juhnke trat auf. Die „Miß Söhnlein“ mit Edith aus Kempten und Sabine aus Hameln wurde gewählt. Dschingis Khan trat auf, das allererste Konzert, das Dirk je sah.

Strandhalle Grömitz, gesehen von der Seebrücke aus.

In der Strandhalle steppte 1985 der Bär.

Es war das Imperium Sachau, das dort veranstaltete: Der Musiker Thomas Glanzt erzählt in seinen Erinnerungen aus der Zeit: „Das Sachau-Imperium war riesig. Es gehörten ihm nicht nur fast alle Betriebe an der Strandpromenado von Grömitz, sondern auch etliche Hotels und Feriendomizile.“ Sachau war ein Patriarch wie aus dem Bilderbuch der Bundesrepublik: wortkarg bis zur Unverständlichkeit, mit kurzer Geduldsspanne, keine Widerworte duldend. „Ein Macher“ wie man in meiner Jugend sagte.

Sachau betrieb von 1962 bis 1992 die „Strandhalle“, den zentralen Ort des Strandvergnügens. Dann kamen Wende, Usedom, Rügen und Billigflieger. Wer mondän reisen wollte, aber die Sylt nicht möchte, konnte nun wieder in die Kaiserbäder. Wer schon vor 1990 an die Mecklenburger Ostseeküste fuhr, hatte wenig Grund nach Westen abzuwandern. Das kurze Wochenende in der Sonne war per Flugzeug in Spanien oder der Türkei einfacher erreichbar. Es blieben die Familien mit kleinen Kindern.

Auch die Angebotsseite hat sich geändert. „Die Macher“ sind offensichtlich weitergezogen. Die einzige auffallende „Neuheit“ der letzten Jahre, die Tauchgondel, ist ein Franchise-Konzept, das von Usedom stammt.

Es blieb die „Sonnenseite der Lübecker Bucht“, viele Kilometer Sandstrand, eine fast schon mediterran anmutende Promenade zum Bummeln, die Seebrücke und mein Hauptziel: die Ostsee.

Die Ostsee

Der Strand – gefühlt kleiner geworden seitdem ich vor 30 Jahre das letzte Mal dort war. Die Mauer, die die Promenade vom Strand abtrennt: heute aus edlem Stein. Meiner Erinnerung nach aus Kieselwaschbeton. Der Kaptain sagt, sie war schon immer edel. Der Sandstrand, hell, leicht und fest. Welch ein Gegensatz zur üblichen Nordseeküste. Und dann das Meer. Es ist da, berechenbar, zuverlässig. Tiden gibt es, aber sie sind ignorabel. Wie am Mittelmeer.

Ein Ort etwa hälftig zwischen zentralem Hauptstrand mit Seebrücke und Lenster Strand / Hundestrand. Ich deponierte meine Sachen hinter einem Strandkorb, ging zur Küste. Der Kaptain erfreute sich an einer Bank, die alle vier Meter auf der Promenade aufgestellt sind.

Wärmliches ,klares Ostseewasser

Ein Geruchsflashback überkam mich. So riecht Ostsee. Ein Geruch, seit Jahrzehnten nicht mehr in der Nase gehabt und sofort wiedererkannt. Ist es der Seetang, der im Wasser auf mich wartet? Auch seit vielen Jahren nicht mehr gesehen und sofort wieder erkannt. Nur die Quallen fehlten glücklicherweise. Der Sand-Kies-Mischung direkt am Einstieg, die sich nach einem Meter in festen Sand verwandelt.

So lange ist Ostseebaden her, dass ich die ganze Zeit an Mittelmeer dachte. In Israel war mein letzter Schwumm unter Sonne, friedlichem und berechenbarem Meerwasser mit einem echten Strand. Gefühlt bin ich gerade näher an Italien als an Wesselburen. Nur dieser Tang. Ich schaute nach unten. Mich holten Erinnerungen ein, an eine Luftmatratze, die von einer Windböe auf das Meer hinausgetrieben wurde. Immer einen Tick weiter als ich schwimmen konnte.

Mich holten Erinnerungen ein an hf leipzig im Schlauchboot, treibend, das Paddel in der Ostsee verloren. Aber vor allem Sonne, treiben, einige Kraulzüge. Die Sicht im Wasser blieb ungewohnt klar, die Strömung vorhanden, mich quer zur Küste treibend. Die bunten Fahnen am Strand bildeten den Orientierungspunkt. Quer zur Küste schwimmen, bin ja nicht im Abenteuerurlaub. Dunkle Schatten deuteten Tang-Felder an. Die Saison war noch jung. Noch waren die Pflanzen nicht von den Badenden plattgetreten. „Schade“, dachte ich kurz, zog weiter durch das Wasser. Sonne, Salz, Wellen und Platz. Besser geht es nicht.

Weiter entlang der Promenade

Es fehlte das Eis. Natürlich. Der Biergarten, der Eis mit Erdbeeren und Sahne servierte, ist den Jahrzehnten zum Opfer gefallen. Also entlang der Promenade. Die, die so mondän wirkt, und in ihrem Ursprung ein Bauwerk der Moderne der Weimarer Republik ist.

1933 erfolgte die Fertigstellung einer drei Kilometer langen sechs Meter breiten Strandpromenade aus Asphalt mit eingewalztem weißen Grantkieseln. Anderthalb Kilometer dieser Promenade wurden zusätzlich mit roten Klinkersteinen ausgelegt. Ab 1952 Bau erfolgte einer Mauer.

southpark mit FFP2-Maske auf der Grömitzer Promenade

Promenieren auf der Promenade. Links hinter mir das abgerissene Freibad.

Es folgte eien Abschlussrunde über die Seebrücke. Der Blick ins Wasser sagte mir: Hier wäre weniger Tang gewesen.

Wir saßen an „der Ecke“ zwischen Seebrücke, Haupteingang zum Strand und Strandhalle. Die Strandcafés. Den Ort, an den ich denken muss, wenn ich leichten Barjazz, entspannte Tanzmusik höre. Herren in gelbem Jackett und weißem Hemd, die trällerten. Kaptain, Eiskaffee bestellte und mir ein Orangensaft mit Eis. Es war nicht so schön wie Minigolf oder Ostsee. Aber Vanilleeis taugte auch. Noch mehr nach dem Baden.

Grömitz Strand, Richtung Westen

Ein letzter Blick auf den Strand.

Barjazz ist im Jahr 2021 nicht mehr. Trotz Maskenpflicht im Jahr 2 der Seuche sind alle Plätze besetzt. So holten wir uns einen Amarenabecher und einen Erdbeerbacher auf die Hand. Saßen in der Sonne und schauten Leute. Grömitz, da wo Schleswig-Holstein so tut, als läge es am Mittelmeer.

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2 Kommentare

  1. Frank Vollmer

    Mein Gott, wie oft finde ich mich in diesem Text wieder!!! 👍

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